Text_Liebeshütten und Eichhörnchen

Gesine Kikol. Die aktuellen Bilder 2019-2021

Ein Teil der Bilder von Gesine Kikol, die seit Ausbruch der Pandemie entstanden, neben Liebeshütten und Toten Vögeln, trägt den Obertitel Frühstück im Grünen. Die Bilder sind flockig, frisch und frei insbesondere im Bildaufbau und in ihrem Kolorismus. Sie zeigen eine programmatische Offenheit. Ein zweiter Aspekt besteht darin, dass das Verhältnis zwischen Mensch und Tier neu gedacht wird, experimentell von Bild zu Bild. Ein dritter Aspekt ist ein ebenso komplexer wie lockerer Bildraum, der aus dem Umstand hervorgeht, dass die Bilder zunächst im digitalen Raum gedacht sind und dann – ohne streng übertragene Vorlage – im analogen Raum gemalt und dabei spontan neu gedacht sind.

Auf diesen Bildern gibt es zwei Arten von Gestalten, nämlich Hasen und Frauen. In bestimmten Bildern sind die Frauen unter sich, bei einem Frühstück im Grünen wie auf dem berühmten Bild von Edouard Manet von 1963, mit dem die moderne Kunst beginnt. Nur sind die beiden nackten Frauengestalten – in Manets Bilderzählung Aktmodelle für die zwei abgebildeten Maler, die in Anzug und Krawatte gekleidet sind – ihrerseits universell geworden, in Szenen utopischer Autonomie, die aus Zusammensein und Naturbetrachtung besteht.

Dem stehen, durch den gleichen malerischen Vortrag verbunden, die Bilder mit den Eichhörnchen entgegen, männlichen Wesen, die sich unablässig in Kopulation befinden. In mehreren gemischten Bildern sehen die weiterhin autonomen Frauen dem Treiben dieser männlichen Wesen belustigt zu.

Beide Varianten der Bilderreihe Frühstück im Grünen verbreiten Lebensfreude als wesentlichen Inhalt. Wie soll man sie aber näher deuten, angesichts aller Ideen und Motive der politischen und moralischen Korrektheit, die unseren Zeitgeist bestimmt? Ist es erlaubt, so direkt von freier Sexualität zu handeln? Die Künstlerin nimmt sich dieses Thema vor, konterbalanciert es aber sofort durch die feine Ironie des Gegensatzes zwischen den männlichen Eichhörnchen und den Frauen.

Kann man in der unablässigen Kopulation der Eichhörnchen nicht auch eine direkte Metapher der männlich bestimmten Kunstwelt sehen, mit dem Machtgehabe und zugleich den Seilschaften unter Künstlern, dem die Künstlerinnen zunehmend selbstorganisiert und belustigt zusehen? Durch diesen unausgesprochenen Inhalt erhält diese Werkserie ihre Spritzigkeit und ihren hintergründigen Humor. Davon abgesehen, dass es mit viel Spaß an der Malerei und Liebe zu ihr gemalt ist. Das macht gute Arbeiten jenseits aller Komplexität der Konzepte aus.

Robert Fleck, Juni 2021