Text_Kuration Ausstellung des Frauenkulturbüros NRW im Künstlerverein Malkasten Düsseldorf

Magazin der Art Apart Gallery, Maren Knapp-Voith, Düsseldorf

STARKE FRAUEN IN KUNST UND KULTUR:
3 Jahrzehnte Künstlerinnenförderung des Frauenkulturbüros NRW 

Künstlerinnenfest im Malkastenpark Düsseldorf 

Die Ausstellung ist kuratiert von Gesine Kikol (Vorstand Frauenkulturbüro) zusammen mit den Künstlerinnen Alisa Berger, Astrid Busch, Freya Hattenberger, Linda Nadji, Vera Lossau, Johanna Reich, Judith Samen und einer Sonderausstellung in Gedenken an Petra Warras 

Jacobihaus und Malkastenpark Düsseldorf, 03.07. 2021 

Am 03.07.2021 feierte das Frauenkulturbüro sein 30jähriges Bestehen. Traditionell veranstaltet das Frauenkulturbüro zu seinen Jubiläen Kunstausstellungen von, für und mit Künstlerinnen, Musikerinnen, Alumni des Frauenkulturbüros und weiteren geladenen Gästen. Zum diesjährigen 30jährigen Jubiläum fand in Kooperation mit dem Düsseldorfer Künstlerverein Malkasten ein vielseitiges, buntes und anregendes Künstlerinnenfest unter dem Veranstaltungsmotto “Starke Frauen in Kunst und Kultur” im Jacobihaus und im Malkastenpark statt. Gesine Kikol kuratierte die Ausstellung zusammen mit den Künstlerinnen Alisa Berger, Astrid Busch, Freya Hattenberger, Linda Nadji, Vera Lossau und Judith Samen. In den Räumen des Jacobi Hauses wurden Arbeiten der genannten Künstlerinnen und ehemaligen Stipendiatinnen präsentiert. Außerdem gab es eine kleine Sonderausstellung mit Arbeiten der 2015 verstorbenen Fotografin Petra Warrass und eine Videoinstallation von Johanna Reich. 

Jede der Künstlerinnen bespielte ein eigenes Zimmer im Jacobihaus, auch das Foyer und der weite prächtig beleuchtete Treppenaufgang dienten als Ausstellungsraum. 

Im Eingangsbereich erblicken die Besucher:innen zuerst eine fotografische Arbeit von Judith Samen. Das Motiv: eine Fotografin, die gerade im Begriff ist, ein Foto zu machen. Und weil der Eingang auch der Ausgang ist, blickt auch zuletzt in den Sucher ihrer Kamera – die Betrachter:in wird selbst betrachtet. Hier wird die quasi existenzielle Wechselbeziehung zwischen Kunst und Rezipient:in auf augenzwinkernde Weise deutlich gemacht. 

Auf dem Weg vom Eingangsbereich zum Parkeingang befinden sich teilweise offene Vitrinen mit Arbeiten der im letzten Jahr bereits verstorbenen Fotokünstlerin Petra Warrass. Von poetisch- bewegend bis heiter und rätselhaft finden sich alle Stimmungsbilder in Warrass’ Kunst reflektiert – das “Mysterium” Mensch und die Ambivalenz zwischen der Idee einer fotografisch dargestellten “Wahrheit” und der sensibel inszenierten Wirklichkeit im Werk der Künstlerin wirken geheimnisvoll und berührend. 

Im Goethezimmer nebenan werden Fotografien von Judith Samen präsentiert. Es handelt sich u.a. auch um Werke aus der Reihe “The Healing”, das sind Fotografien mit Heilpflanzenthematik mit dem Untertitel “pandemic pictures” aus dem letzten Jahr. Ihre Sujets sind zumeist Frauen und Kinder, häufig als Akt in ungewohnter eigenwilliger Komposition inszeniert. Die Verbindung der Arbeiten mit den innenarchitektonischen Gegebenheiten des Goethezimmers ließ durch die feinfühlige Kuration den Eindruck entstehen, man betrete einen Schrein. 

Bewegt man sich von hier aus weiter ins Foyer, sieht man zuerst die Videoprojektion von Johanna Reich mit dem Titel “Virgin’s Land”. Die verfilmte Performance zeigt die Künstlerin in einer Wüstenlandschaft. Sie hält eine goldene Rettungsdecke, die wie eine riesige Fahne im Wind flattert. Anklänge an Heinz Mack’s “Sahara Project” sind erkennbar, aber der Arbeitstitel weckt auch die Assoziation mit einer der mächtigsten weiblichen Hauptprotagonistinnen der christlichen Religion: der Mutter Gottes, dem die Menschheit versöhnenden Gegenpol zur “sündigen” Urmutter Eva. 

Dreht man sich um, erblickt man auf der inneren Wand des Foyers die fantastisch-surrealistisch anmutenden Collagen von Vera Lossau, die mit ihrem bizarren Humor und ihrer Rätselhaftigkeit faszinieren. Sie lassen an die Kunst von Max Ernst oder der weniger bekannten surrealistischen Künstlerin Remedios Varo denken. 

Blick man nach oben in Richtung Treppenaufgang, fällt eine großformatige Arbeit von Freya Hattenberger ganz besonders ins Auge: eine gesichtslose Frauenfigur im roten Kleid, fast 4 m hoch, als Fotodruck auf glänzendem Stoff aufgezogen, wirkt wie eine Erscheinung oder ein “Schloßgespenst” aus der Gegenwart. Die Beleuchtung durch den prächtigen Kronleuchter und die Positionierung im barocken Treppenhaus verstärkt diesen Eindruck noch und ermöglicht beim Hochsteigen der Treppe auch sehr ungewöhnliche Perspektiven in Verbindung mit der Kunst von Linda Nadji, die im oberen Foyer ihren Platz gefunden hat. Deren plastische Arbeiten, wie die Handtaschen aus Beton oder mit silbernen Hotpants versehene Plastiken, von denen eine wie eine antike Kultfigur in einer Nische platziert wurde, erinnern thematisch an das Werk von Rosemarie Trockel: “typisch weibliche” Utensilien werden zweckentfremdet und so auf humorvolle Weise ad absurdum geführt. 

Ebenfalls im oberen Geschoß, im Jacobizimmer, ist eine raumfüllende Videoprojektion von Astrid Busch zu bewundern. Die bewegte Projektion haucht der Amor & Psyche-Tapete quasi Leben ein – der ganze Raum wird verwandelt und scheint zu tanzen, und als Betrachterin wird man selbst zum Teil dieser Video-Rauminstallation. 

Auch im angrenzenden Schadowzimmer ist der Raum Teil des Kunstwerks. Hier hat Alisa Berger in Kooperation mit Thorsten Krämer eine Rauminstallation geschaffen, indem sie an dem langen raumfüllenden Tisch mit 18 Stühlen insgesamt 18 kleine handgemachte, handgebundene Bücher in japanischer Tradition mit dem Titel “Unknown Kaidan” ausgelegt hat. Alle haben den gleichen Inhalt, und dennoch gleicht keines dem anderen. 

Die Ausstellung im Jacobihaus wurde begleitet von einem musikalischen Programm im Park. Dort gab es u.a. Eine Speaker’s Corner mit Open Mic und den “Culture Loop Parcours”. Außerdem trugen die Soloinstrumentalistinnen Akiko Ahrend, Annette Maye und Elisabeth Coudoux im Park ihre musikalischen Improvisationen vor. 

An der Speaker’s Corner sprachen die Künstlerinnen Bianca Kennedy und Janine Mackenroth, Autorinnen von “I love Women in Art”. Seit 100 Jahren sind Frauen nun in Deutschland zugelassen, an Kunstakademien zu studieren – aus diesem Anlass haben die Autorinnen Kuratorinnen, Kritikerinnen, Sammlerinnen und sonstige Akteurinnen gebeten, jeweils einen Text über eine selbstgewählte Künstlerin zu verfassen. Die Autorinnen betonen, dass das glücklicherweise nur eine kleine Auswahl sei. Wie die Autorinnen uns mitteilen, machen Frauen inzwischen 60% des Studierenden- bzw. AbsolventInnen-Anteils aus. Doch auf dem Kunstmarkt seien sie nur zu einem Bruchteil vertreten, und auch die Förderausschüsse für Künstler:innen seien nicht paritätisch besetzt. Diese Tatsachen rufen die Autorinnen den Besuchern des Festes ins Bewußtsein und verweisen auf den nach wie vor bestehenden großen Handlungsbedarf in Bezug auf Gleichberechtigung von Frauen in der Kunstwelt. 

In der Reihe “Culture Loop” war die durch Aylin Leclaire vertonte Lesung eines Romanfragments von Dr. Verena Mais zu hören. Diese ungewöhnliche, geradezu groovige “synästhesierende” Art einer Lesung ist schon deshalb bemerkenswert, weil es sich hier um den ersten gemeinsamen öffentlichen Auftritt der beiden handelte, eine echte Premiere. Aylin Leclaire setzte die von Verena Meis vorgetragenen Sätze unmittelbar in Klang um und betonte damit Aussage, Effekt und Affekt des vorgelesenen Texts, dessen Worte schon mitunter selbst heiter-surrealistische Bilder vor dem geistigen Auge oder Ohr des Publikums erzeugten. Besonders das “Apfelmoos” ist der Verfasserin und ihrer Begleitung im Gedächtnis geblieben – aber auch die poetische Aussage “Autonomie ist ein Sternenhimmel”. 

Ein paar leichte Regenschauer zu Beginn des Festes und zwischendurch änderten nichts an der Tatsache, dass dies ein in jeder Hinsicht sehr gelungenes Fest war – die Kunst und die Kuration, die Künstlerinnen, die Rednerinnen und ihre Botschaften sowie die wunderschöne Location boten im Zusammenspiel ein einmaliges inspirierendes und in Bezug auf die Fortschritte der Frauenförderung in Kunst und Kultur auch sehr ermutigendes Fest. Noch schöner wäre es gewesen, wenn die Ausstellung und das Fest auch für die Öffentlichkeit zugänglich gewesen wäre. Aufgrund der anhaltenden Pandemielage ist jedoch nachvollziehbar, dass dies nicht so einfach möglich war. Für künftige Feste dieser Art könnte eine Öffnung nach außen aber förderlich sein, denn je mehr öffentliche Aufmerksamkeit das Thema der Frauenförderung in Kunst und Kultur bekommt, umso größer ist die Chance, dass sich das gesellschaftliche Bewusstsein für die Notwendigkeit der “Sache der Frauen” auch in der Kunst verstärkt. 

Autorin: Tatjana Nicholson, Düsseldorf, 2021