Text_Mein Leben im Lockdown

Rheinische Post, Dezember 2020

SERIE MEIN LEBEN IM LOCKDOWN 

„Melancholische Stimmung einer Malerin“ 

Malerin Gesine Kikol arbeitet in ihrem Atelier auf dem Gelände der Liesegangfabrik.
Ihre Zeichnungen sind Spiegel ihrer Stimmung. 

Gesine Kikol aus Unterbilk verarbeitet die Pandemie in ihren Bildern.
Für das neue Jahr hofft sie auf Besserung. 

Meine Arbeit als Künstlerin beinhaltet mehr als Malen oder Zeichnen. Ich pflege meine Website, schreibe Pressemitteilungen und mache Marketing – und muss dennoch den Kopf frei haben, um im Atelier arbeiten zu können. Bevor der erste Lockdown begann, erschien mir das manchmal fast zu viel. Im März war ich aber erst einmal erschrocken und verfolgte besorgt die Nachrichten. Dann stellte sich bei mir auch ein Gefühl der Erleichterung ein, weil ich nicht mehr jedes Wochenende auf eine Vernissage der Kollegen und Kolleginnen oder zu anderen Veranstaltung gehen musste. Solche Termine sind sonst immer so gut wie Pflicht, um zu netzwerken. 

In dieser Zeit der aufgezwungenen Entschleunigung zog ich mich zum Malen und Zeichnen zu Hause zurück. Meine zerrissene Stimmung drückte ich in meinen Bildern aus. Ich malte eine Serie mit Hütten, die menschenleer und isoliert von allem anderen in Wäldern stehen, aber auch als Schutzraum dienen können. Die Motive entstanden, weil ich als Künstlerin immer auch die Welt um mich beobachte und meine Eindrücke verarbeite. So war es dann auch, als der erste Lockdown im Frühsommer endete. Ich sah, dass die Menschen wieder das Leben genossen. Überall blühte das Leben auf. Da war auch mir nach etwas Heiterem, nach Humorvollem – und ich malte eine Serie mit Bildern, auf denen ich herumtollende und auch kopulierende Eichhörnchen zeige. Die Ausstellung dazu im September im Ballhaus war für mich recht erfolgreich. Im Oktober dann war der zweite Lockdown abzusehen, im November war es so weit. Anders als im Frühjahr spürte ich Melancholie und Weltschmerz. Denn ich hatte gedacht, dass die Menschen, die ja in der Pandemie alle die gleichen Probleme haben, zusammenrücken würden, um sich auf das Wichtige und Positive im Leben zu konzentrieren und die globalen Probleme anzugehen. Das passiert aber nicht, das finde ich sehr enttäuschend. Meine düstere Stimmung drückte ich wieder in Bildern aus und ich zeichnete mit schwarzer Tusche und Tinte etwa 25 Motive mit Krähen – mal tot, mal angriffslustig, mal nur den Schädel. Für mich war die Arbeit wie ein Ventil, mit der Situation fertig werden. Ich finde es auch wichtig, dass die Kunst so etwas zeigt und nicht ausschließlich schön und nur unterhaltend ist. 

Ob und wann ich meine neuen Bilder öffentlich zeigen kann, ist wegen des Lockdowns zurzeit ungewiss. In diesem Jahr sind viele Ausstellungen abgesagt worden. Entsprechend schlecht sind meine Verkäufe. Finanziell überleben kann ich, weil ich an der Uni teilzeit als Dozentin für Malerei arbeite und alle Seminare nun digital abhalte. Die Corona-Krise hat die Digitalisierung beschleunigt – ein Vorteil also. Auch, dass ich mich und meine Arbeit in sozialen Netzwerken verstärkt präsentiere, ist ein Ergebnis des Lockdowns. So haben mich einige Online-Galerien entdeckt und in ihre Programme aufgenommen. Weil ich im Sommer ein Bedürfnis nach Zugehörigkeit zu anderen Menschen habe, bin ich nun auch Mitglied in Künstlervereinen. Außerdem habe ich vom Land NRW ein Stipendium bekommen, das Künstlern in der Corona-Krise helfen soll. Sobald es in 2021 möglich ist, werde ich eine Reise ins Baltikum unternehmen. Außerdem sind für das kommende Jahr schon zwölf Ausstellungen geplant. Meine Aussicht auf die Zukunft ist also überwiegend positiv. 

Protokolliert von Holger Lodahl. Rheinische Post, Düsseldorf, 2020